Ochsentaler Gletscher 2011 – 2023

Der Ochsentaler Gletscher ist für einen persönlichen Erkenntnismoment verantwortlich. Der Klimawandel war bis zu einem speziellen Erlebnis für mich eine zwar rational bekannte Entwicklung, persönlich greifbar war er bis 2018 aber nicht. Damals war ich im Abstand von 2 Wochen (Mitte und Ende August) zwei mal auf dem Piz Buin – bei der ersten Besteigung hatten wir gerade mal einen guten Meter Platz auf einem kleinen Felsvorsprung, um die Steigeisen anzulegen. Nur zwei Wochen später hatten wir dort beinahe 10 Meter Platz. Dieses Erlebnis hat bei mir eine emotionale Betroffenheit ausgelöst, die aus dem rational-distanzierten Faktenwissen einen Auftrag gemacht haben, im persönlichen und beruflichen Verantwortungsbereich Initiativen zu setzen. Vielleicht braucht jeder einen solchen persönlichen Erkenntnismoment – die breit verfügbaren Informationen, Bilder und Videos von Wetterextremereignissen reichen offensichtlich nicht aus.

Angestoßen durch einen Post auf klimaplanet.com („Das Ende der Majestäten“) ist die Idee entstanden, mit den Bildern, die ich seit 13 Jahren zu unterschiedlichen Zeitpunkten zwischen Juni und August vom Ochsentaler Gletscher gemacht habe, einen kleinen Beitrag zurr Bewusstseinsbildung zu leisten. Es geht mir nicht darum, die Gegend (oder die österreichischen Gletscher generell) schlecht zu reden: Sie ist immer noch wunderschön und bietet nach wie vor geniale Möglichkeiten für Bergerlebnisse, für die man mittlerweile einfach mehr Know-how braucht. Ich will auch niemandem ins Gewissen reden oder vorschreiben, wie man sein Leben zu gestalten hat – der Zeitverlauf der Bilder führt aber zu eindeutigen Schlüssen. Mich persönlich machen die Eindrücke vor Ort sehr betroffen.

Gletscher sind kein Klima-Frühwarnsystem sondern reagieren sehr träge auf die Erderwärmung. Das bedeutet, dass sie – egal welche positive Entwicklung auch immer hinsichtlich Temperaturmittelwerten ausgelöst werden kann – in den kommenden Jahrzehnten weiterhin abschmelzen werden. Die Gletscher und weitere Elementarereignisse wie Felsstürze (zB Fluchthorn, Vordere Jamspitze – beide 2023 in der Silvretta. Bilder siehe zB Tourenberichte Ochsenkopf oder Dreiländerspitze) und Steinschlag (zB Kleiner Piz Buin seit einigen Jahren) sind nur die sichtbarsten Zeichen – für die Auswirkungen auf Flora und Fauna muss man genauer hinsehen. Kurzfristig mag es positive Auswirkungen geben, weil sich zB Vegetationsphasen verlängern und sich damit das Verbreitungsgebiet von Pflanzen nach oben ausdehnt. Durch diese Höhenverschiebung verlieren aber Pflanzen und Tiere, die nicht mehr weiter in die Höhe ausweichen können, im Gegenzug ihre Lebensräume.

Die Alpen sind einer der Bereiche auf der Erde, in denen die Klimaveränderungen deutlicher sind als in vielen anderen Gegenden: Der Anstieg von Temperaturmittelwerten war in den letzten Jahren hier sehr stark. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Festigkeit von Gesteinsformationen (Aufschmelzen von Permafrost löst Probleme oberhalb von etwa 2.500 Metern aus). Perspektivisch resultiert aus dem Abschmelzen von Gletschern eine Wasserknappheit in höheren Lagen (und da geht es nicht nur um die Wasserversorgung von Berghütten). Gletscher haben durch die Eistemperatur und die größere Albedo (vor allem wenn sie schneebedeckt sind, reflektieren sie deutlich mehr Sonnenstrahlung als dunkle Flächen) einen temperaturreduzierenden Effekt.

Ich bin kein Experte, weil ich weder Glaziologe, Biologe oder Klimaforscher bin – ich bin nur ein Bergbegeisterter, der als Wander- und Naturführer und privat viel und mit offenen Augen in Bergen unterwegs ist. Mir fallen die aus dem Klimawandel resultierenden Entwicklungen deutlich auf – und so geht es sämtlichen Berufskolleg*innen, mit denen ich gesprochen habe. Bei mir persönlich hat das viele, kleine Verhaltensänderungen ausgelöst – ich hoffe darauf, dass das bei immer mehr Personen der Fall ist.

Weiterführende Infos bzw. empfohlene Literatur:

Übersichtsbilder
Aufgenommen vom Hohen Rad, vom Radsattel, aus dem Ochsental oder von der Wiesbadener Hütte.

Grüne Kuppe – westliches Gletscherende
Ganz früher gingen die meisten Bergsteiger über das Wiesbadener Grätle, später verlagerte sich der Zustieg über die grüne Kuppe und in der Regel dann diagonal westlich auf den Gletscher. Mittlerweile geht man unter der Grünen Kuppe durch bis ganz an den Rand und außerhalb des Gletscherendes in Fels und Schotter nach oben.

Gletschermaul
Am westlichen Ende gab es bis zum Sommer 2021 ein Gletschermaul – die letzte Brücke ist 2022 eingestürzt.

Östliches Gletscherende
Am von der Wiesbadener Hütte aus gesehen linken Gletscherrand ist zwischen 2022 und 2023 ein großer runder Bereich des Ochsentaler Gletschers offensichtlich eingebrochen.

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Sebastian Verfasst von: